Ein Blick auf die Sony A7 IV
Im Oktober hat Sony seinen beliebten Vollformatklassiker in einer neuen Version vorgestellt: die Sony A7 IV. Drei Monate später – inzwischen ist die Kamera trotz Lieferschwierigkeiten einigermaßen verfügbar – wird es Zeit mal einen genaueren Blick auf das neue Modell zu werfen.
Die erste Sony A7 erschien damals im Oktober 2013, im November 2014 folgte die Sony A7 II. Ich selbst bin im Herbst 2015 von Canon zu Sony gewechselt, anfangs mit einer A7R II, später mit einer A7 II. Im Februar 2018 kam dann die Sony A7 III heraus und nun ist schließlich im Oktober 2021 die Sony A7 IV erschienen. Schauen wir uns die Vollformat-Kamera mit FE-Bajonett etwas genauer an:
- Fotos mit 33 Megapixel (7008×4672) in RAW, JPEG oder HEIF
- ISO 100-51.200, erweitert 50-204.800
- Dynamikumfang 15EV
- Videos mit 4K 30p 10Bit 4:2:2, 4K 60p mit 1,5 Crop
- verbesserter Autofokus mit bis zu -4EV
- Serienaufnahmen mit 10fps
- Stabilisierter Sensor bis zu 5,5EV
- überarbeitetes Menüsystem
- elektronischer Sucher 0,5″ OLED 3,69M 1280×960
- Display dreh- und klappbar
- Speicherkarten Slot 1 SD / CFexpress, Slot 2 SD
- Bluetooth LowEnergy und WLAN 5GHz
- Sony NP-FZ100 Akku reicht für 580 Fotos nach CIPA, Stromversorgung per USB-C
- Listenpreis 2800 Euro
Nimmt man die Kamera in die Hand, fällt als Erstes auf, dass der Handgriff nun stärker ausgeformt ist. Mir liegt die Kamera sehr gut in der Hand. Ich finde den Formfaktor ziemlich ideal. Eine größere Kamera wie zu DSLR-Zeiten vermisse ich nicht. Die Sony A7 IV wiegt 659 Gramm und misst 131x96x80mm.
Der Sensor
Die Auflösung des Sensor hat sich von 24 auf 33 Megapixel erhöht. Ich finde das passt ziemlich gut in die heutige Zeit und ist auch nicht zu viel. Mehr Auflösung würde ich aber nicht haben wollen. Ich bin daher kein Fan der A7R Modelle, die über 60 Megapixel Auflösung bieten; das braucht kein Mensch. Die 33 Megapixel der A7 IV sind schon ordentlich viel und bieten reichlich Reserven zum großformatigen Drucken, zur Darstellung auf einem 8K Monitor oder zum Croppen.
Noch wichtiger finde ich den riesigen Dynamikumfang von 15 Blenden – hier bieten die Raw-Dateien Bearbeitungsreserven ohne Ende in den Höhen und Tiefen des Bildes. Die enorme Flexibilität in der Bildbearbeitung werden viele Fotografen zu schätzen wissen – sei es einem Porträt im Gegenlicht, bei einer Landschaftsaufnahme gegen den Sonnenuntergang oder einfach nur bei einem Bild, was man nicht genau belichtet hat. Zudem sind die Tiefen weitgehend frei von Rauschen, wenn man sie in der Bearbeitung hochzieht – das ist keine Selbstverständlichkeit, was gerade frühere Canon-User wie ich zu schätzen wissen.
Zudem kann der Sensor superschnell ausgelesen werden. Die Kamera macht 10 Bilder pro Sekunde in RAW+JPG, sofern man die komprimierten RAWs benutzt. Die Einstellung unkomprimierte RAWs finde ich sowieso ziemlich unnötig. Jedenfalls, bei normaler Einstellung auf komprimierte RAWs macht die Kamera RAW+JPG für 828 Bilder. Der Buffer ist also sehr großzügig ausgelegt und ist nicht schon nach wenigen Sekunden erschöpft.
Bedienelemente
Betrachtet man die neue A7 IV von der A7 II aus kommend, dann ist es riesiger Sprung nach vorne. Aber auch im direkten Vergleich mit der A7 III hat man den Eindruck, dass sich alle Eigenschaften einen Schritt verbessert haben. Ich selbst habe die A7 II einige Zeit lang benutzt, aber ich habe auch eine A7 III schon öfter mal in der Hand gehalten und damit Fotos gemacht.
Erfreulich ist sicherlich, dass das Drehrad an der Rückseite recht ordentlich und stabil ausgeführt ist. Es ist kein Vergleich zum wackligen Drehrädchen der A7 II. Toll ist auch, dass es oberhalb davon den Nupsi gibt, wo man mit dem Daumen das Autofokusfeld verschieben kann. Die Bedienelemente gefallen mir sehr gut.
Etwas übertrieben finde ich, dass es an der Gehäuseoberseite nun ganze zwei Daumenräder gibt. Eins für die Belichtungskorrektur war meiner Meinung nach völlig ausreichend. Wofür soll das Zweite denn gut sein? Ich wüsste nicht, welche Funktion ich dort drauf legen soll. Die Blende stelle ich an der Vorderseite ein. Davon abgesehen gibt es an der Oberseite nun beim Moduswahlrad eine unnötige Komplikation. Mit der unteren Hälfte des Moduswahlrads lässt sich zwischen Foto- und Filmmodus umschalten. Das ist doch ziemlich fummelig und hätte man besser lösen können.
Sucher und Display
Der elektronische Sucher bietet 0,78-fache Vergrößerung und löst nun besser auf. In der Sprache der Marketingabteilung: die Auflösung wurde von 2,36M Dots auf 3,68M Dots erhöht. In meiner Sprache: die Auflösung wurde von 1024×768 auf 1280×960 erhöht. Die Marketingabteilungen von allen Kameraherstellern zählen gerne die RGB-Dots der Pixel einzeln, daher ist die Zahl dann 3x höher. Jedenfalls, das ist zwar nicht so toll wie bei der A7R IV (5,76M / 1600×1200) aber doch schon deutlich ausreichend und für ein gutes Sucherbild, was einem DSLR-Sucher nicht nachsteht. Im Gegenteil, so ein elektronischer Sucher hat ja viele Vorteile gegenüber einem DSLR-Sucher.
Eine große Änderung ist außerdem, dass man das Display nun nicht nur klappen sondern auch drehen kann. Zuvor konnte man es nur nach oben und unten klappen. Das war sehr nützlich bei bodennahmen Aufnahmen und bei Bildern über Kopf, aber bei Selfies konnte man nichts sehen. Nun lässt sich das Display also nach vorne drehen, sodass man sich selbst sehen kann und eine vernünftige Bildkomposition auch bei Selfies möglich wird – sehr praktisch. Die Konstruktion erscheint ziemlich solide und mache ich mir keine Sorgen, dass da etwas kaputt gehen könnte.
Das Display unterstützt nun auch verschiedene Touchfunktionen z.B. kann man mit einer Zwei-Finger-Geste in Fotos rein- und rauszoomen, so wie man es vom Handy gewohnt ist. Außerdem lässt sich das neue Menü auch per Touch bedienen. Das ging alles bei der A7 III noch nicht, deren Touchfunktion war auf die AF-Auswahl beschränkt.
Das Menü
Vor ein paar Jahren war das Menüsystem bei Sony kompliziert und unübersichtlich. Aber es hat sich etwas getan, nun ist es eher vielfältig und besser übersichtlich. Es gibt zwar immer noch extrem viele Einstellungen, aber man findet sich deutlich besser zurecht. Außerdem kann man für beliebte Einstellungen das MyMenu nutzen. Dennoch ist es meine Empfehlung sich nach den ersten paar Tagen einmal ein paar Stunden hinzusetzen, die Einstellungen durchzugehen und die Kamera für sich zu konfigurieren. Dann hat man die richtigen Funktionen auf den richtigen Tasten liegen und später in der Praxis braucht man dann nur eine Handvoll Optionen.
Außerdem noch eine Anmerkung zu den Einstellungen: die sind nun komplett separat für Foto und Video. Das ist tatsächlich sehr sinnvoll. Vielleicht fotografiere ich mit manuellen Einstellungen, aber möchte im Filmmodus lieber die Automatik haben mit AutoISO usw. Nun kann ich zwischen beiden Welten hin und her schalten ohne jedesmal alle Einstellungen ändern zu müssen.
Autofokus
Sony hat in den letzten Jahren ja schon ordentlich abgeliefert bei Autofokus und hat nun bei der A7 IV noch eine Schippe draufgelegt. Die Kamera profitiert von den Entwicklungen des Topmodells A1. Es gibt nun 759 AF-Punkte, die 94% der Bildfläche abdecken. Ich will das mal laienhaft ausdrücken. Was will man denn noch mehr? Die Kamera hat Autofokusfelder einfach überall und es gibt gefühlt 100 verschiedene AF-Einstellungen. Man kann aber auch einfach die Kamera in die Hand nehmen und sie stellt dort scharf, wo es sein soll – superschnell und superzuverlässig.
Ich kann es kaum glauben wie gut der AF inzwischen ist. Ehrlich, dagegen sieht eine Canon 1DX ziemlich blass aus. Sony hat inzwischen auch die neueste Version des Eye-AF voll integriert, sodass Augen von Menschen, Tieren und Vögeln zuverlässig erkannt werden, sobald sie im Bild sind, und auf das kameranächste Auge sofort scharfgestellt wird. Ich finde es war noch nie so einfach, Action- und Sportbilder fast ohne Ausschuss zu machen.
Eine kleine aber feine Änderung will ich unbedingt noch erwähnen. Man kann nun einstellen, dass der Verschluss schließt, wenn das Objektiv abgenommen wird. So ist der Sensor vor Staub geschützt beim Objektivwechsel. Ich finde das ist ein großer Vorteil und eine wirklich nützliche Neuerung.
Fazit
Sony hat inzwischen ordentlich Konkurrenz bekommen bei den Vollformat-Mirrorless-Kameras. Die Sony A7 IV kostet auch durchaus Geld mit einem Listenpreis von 2800 Euro. Aber sie ist wirklich eine gelungene Kamera geworden. Sie erfüllt alle Punkte auf meiner Checkliste oder übertrifft sie. Die Sony A7 IV ist keine Einsteiger-Vollformatkamera, sondern eher eine kleiner A1-Bolide. Es ist kaum zu glauben wie gut Kameras heutzutage geworden sind und die Sony A7 IV bietet meiner Meinung nach das beste Gesamtpaket, was man derzeit kaufen kann. Da können die anderen Mirrorless-Kameras von Canon und Nikon oder auch von Panasonic und Leica nicht mithalten. Zudem hat Sony mit dem FE-Bajonett derzeit auch das größte Angebot an Objektiven inkl. diverse Fremdhersteller.
Mit der Sony A7 IV bekommt man also für sein Geld so ziemlich die beste Kamera, die derzeit erhältlich ist, meine ich. Dennoch, 2800 Euro für die Kamera, dazu noch ein paar tausend Euro für Objektive, das ist eine Menge Geld. Wenn man auf diverse Verbesserungen verzichten kann, dann kann man nun das Vorgängermodell A7 III ein ganzes Stück günstiger bekommen. Außerdem sollte man sich auch grundsätzlich überlegen, ob es eine Vollformat-Kamera sein muss oder ob es eine APS-C-Kamera für die eigenen Anwendungsfälle vielleicht auch tut. Hauptsache man hat Spaß beim Fotografieren!
16.01.2022
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