Fotografieren mit der Leica M8
Mit einer Leica fotografiert man anders. So viel ist jedenfalls klar. Aber was ist anders? Was hat es mit dem Kult um die Firma Leitz aus Wetzlar auf sich? Macht man andere Fotos mit einer Messsucherkamera? Ist man mit Leica ein besserer Fotograf? Diesen Fragen habe ich versucht auf den Grund zu gehen, als ich die Gelegenheit hatte mit einer M8 zu fotografieren.
1. Der Kult
Leica hat das Kleinbildformat erfunden ist wohl der Kamerahersteller mit dem größten Renommee. Viele Fotolegenden haben ihre berühmten Bilder mit einer Leica gemacht, insbesondere im Reportagebereich. Die mechanische Fertigungsqualität ist auch legendär und einige Objektive gelten als Maßstab. Nicht wenige Leicas dienen gar nicht zum Fotografieren, sondern stehen als Ausstellungsstücke oder Geldanlage in Vitrinen. Für alte Modelle werden teilweise Höchstpreise gezahlt.
2. Der Einstieg
Inzwischen gibt es die M9, die Einiges besser macht als die M8. Allerdings kostet die M9 über 5.000 Euro, während man den Vorgänger schon für deutlich weniger bekommt. Für den Einstieg in das M System ist die M8 also vielleicht keine schlechte Wahl. Ähnlich verhält es sich mit den 35/1.4 Objektiven von Leica und Voigtländer. Das Leica Summilux kostet 4.000 Euro und selbst dafür bekommt man es nicht, weil es nicht lieferbar ist. Daher werden auf dem Gebrauchtmarkt Preise über 4.000 Euro gezahlt. Das Voigtländer 35/1.4 kostet nur 500 Euro, ist sozusagen ein Schnäppchen.
3. Digitaltechnik
Leica mag zu Zeiten der analogen Fotografie ganz phantastisch gewesen sein, das interessiert mich aber heute wenig. Ich möchte die Kamera auch nicht in eine Vitrine stellen, sondern mit ihr Fotografieren – und zwar digital. Wir haben das Jahr 2012 und ich möchte sehen, was die Kamera an digitalen Bilddateien auf die Speicherkarte liefert. Die M8 hat einen 10 Megapixel Sensor mit Crop 1.3, der Bildern von ISO 160 bis 2500 liefert. So etwas wie Programmautomatik oder Motivprogramme sucht man vergebens, das Menü ist sehr puristisch gehalten. Schnell ist die Kamera auch nicht gerade, sie macht 2 Bilder pro Sekunde und die Menü-Navigation gestaltet sich auch eher behäbig. Die M8 zeichnet JPG oder DNG auf SDHC-Karten auf, dabei ist die große Überraschung, dass die DNGs nur über 8 Bit verfügen 🙁 Die Bilder sind scharf und mit einer angenehmen Gradation, rauschen aber schon bei ISO 1250 sehr stark.
4. Manuelles Scharfstellen
Fotografieren mit einer M bedeutet, dass man mit dem Messsucher manuell fokussiert. Systembedingt gibt es keinen Autofokus. Hier war ich besonders gespannt, wie das Fokussieren mit dem hochgelobten Messsucher funktioniert. Der große helle Sucher zeigt einen festen Bildausschnitt von ca. 24mm. Für die verschiedenen Brennweiten wie 35mm oder 50mm werden dann Rahmen eingeblendet, somit sieht man mehr als 100%. Bei längeren Brennweiten wird der Bildausschnitt im Sucher sehr klein, bei kürzeren Brennweiten braucht man spezielle Weitwinkel-Aufstecksucher. Systembedingt zeigt der Sucher das Bild komplett scharf. Da man nicht durch die Linse blickt, kann man auch nicht sehen, wie sich der Unschärfebereich später im Bild darstellen wird. Fokussiert wird mit einem Mischbildentfernungsmesser, der als kleines Feld in der Suchermitte angezeigt wird. Damit kann man recht genau scharfstellen, auch bei sehr großen Blendenöffnungen, sofern man eine sichtbare Kante in der gewünschte Schärfeebene anpeilt. Dazu kommt, dass die Objektive auch fürs manuelle Fokussieren konstruiert wurden – im Gegensatz zu modernen DSLR Optiken. Die Summicrons, Summilux, Elmarit und wie sie alle heißen (der Name bezieht sich übrigens immer auf die Lichtstärke) haben alle eine guten Verstellweg, kein Spiel des Fokusrings und eine Art Schieber an ihrer Unterseite mit der sich Fokus greifen lässt. Mit einiger Übung lässt sich das sicher gut benutzen und ich konnte auch ordentlich fokussieren. Dennoch bin ich von dem Prinzip wenig überzeugt. Man sieht den ganzen Sucher scharf, muss mit dem mittleren Feld fokussieren und dann Verschwenken – das ist aus meiner Sicht nicht gerade ein überragendes Konzept.
5. Reduktion aufs Wesentliche
“Eine Leica hat kein Schnickschnack” habe ich mir sagen lassen. Gut, sie hat keine Motivprogramme und die Einstellungsmöglichkeiten sind sehr überschaubar. Das ist schon ganz in Ordnung. Dafür sind die wesentlichen Einstellungen – nämlich Blende und Belichtungszeit – in Hardware ausgeführt. Ein Einstellungsrad für Belichtungskorrektur? Fehlanzeige. Vermutlich geht man gar nicht davon aus, dass der Fotograf die Automatik-Position des Belichtsungszeit-Wahlrads benutzt, sondern dass er diese manuell einstellt. Dann braucht man auch keine Belichtungskorrektur 😉 Überhaupt ist die Belichtungsmessung überschaubar, denn prinzipbedingt gibt es nur sowas wie eine mittenbetonte Messung. An Messmethoden wie Mehrfeld- oder Spotmessung braucht man also gar nicht denken. Höhere ISO Werte verwenden? Lässt man besser sein. Auf geringe Entfernungen scharfstellen? Ist auch nicht drin. Stark unterschiedliche Brennweiten nutzen? Besser nicht. “Was kann die Kamera überhaupt?” fragte man sich unweigerlich. Nun, sie kann Fotos machen. Einfach nur Fotos. Davon muss man sich jedes einzelne ein Stück weit erarbeiten. Die M8 macht einem das bei weitem nicht so leicht wie eine moderne DSLR. Aber sie zwingt einen dabei auch ein Stück mehr sich mit seinem Bild zu beschäftigen. Mit ihr lässt sich nicht knipsen, sondern nur fotografieren.
6. Fotografieren mit einer unauffälligen Kamera
Das ist meiner Meinung nach der wichtigste Punkt. Menschen vor der Kamera reagieren anders, ob man eine Spiegelreflexkamera in der Hand hat oder eine kleinere unauffälligere Kamera. Wenn die Kamera dann noch ein klassisches Aussehen hat (was für eine Untertreibung) wie die Leica M8, blicken viele wohlwollend auf die Kamera. Anders als eine möglicherweise etwas bedrohlich wirkendende DSLR, die bei jeder Auslösung laut den Spiegel schlägt. Apropos, irgendwie hätte ich mir die M8 leiser vorgestellt. Das Aufziehen des Verschluss ist fast so laut wie der Spiegelschlag einer DSLR. Sie ist bei weitem nicht so leise wie eine Fuji X100. Wie auch immer, so eine Leica M ist einfach kompakter als eine Spiegelreflex und lässt sich auch besser mitnehmen. Besonders erstaunlich ist das auch bei den Objektiven. Das abgebildete Voigtländer ist dafür ein Musterbeispiel. Man vergleiche das mal mit anderen 35/1.4 Objektiven, die für Kleinbild gerechnet sind. Was für ein Größenunterschied! Hier gibt es also eine dicken Pluspunkt für das M System. Und es zeigt sich warum spiegellose Systemkameras immer beliebter werden. Die Größe macht’s 🙂
7. Fazit
Irgendwie wusste ich schon vorher, dass die Leica M8 nichts für mich ist. Eine Kamera ohne Autofokus ist schon recht gewöhnungsbedürftig, gerade wenn ich mit großer Blendenöffnung fotografiere und auch nicht allzu viel Zeit vorhanden ist. Dann sind da die technischen Unzulänglichkeiten. Sicher brauche ich keine 10 fps und ISO 50.000, aber die Elektronik der M8 ist doch arg bescheiden. Die Kamera ist sehr langsam, zeichnet RAWs nur in 8 Bit auf, rauscht bereits recht stark bei mittleren ISO-Werten und hat auch noch ein leichtes Farb-/Infrarotproblem. Das Erlebnis per Messsucher zu fokussieren war auch eher ernüchternd. Keine Schärfeebene zu sehen und dann noch mit einem mittleren Feld verschwenken zu müssen ist nicht gerade meine Idealvorstellung eines fotografischen Konzepts. Was allerdings bleibt, ist das Erlebnis eine wertig verarbeitete Kamera in der Hand zu haben, die Blende am Blendenring einzustellen und die Belichtung am mechanischen Wahlrad, was haptisch recht angenehm ist. Die puristischen Einstellungsmöglichkeiten bieten eine entschleunigte Fotografie, die einigen Bildern sicher zugute kommt. Insgesamte halte ich das Messsucherkonzept aber heutzutage für überholt. Für die speziellen Anforderungen einer kleinen und lichtstarken Kamera gibt es allerdings noch kaum ernsthafte Alternativen. Aber gerade Fuji hat hier in der letzten Zeit sehr gute Arbeit geleistet und stellt mit der X-Pro 1 sicher eine interessante Alternative vor – zu einem deutlich geringeren Preis und technisch wesentlich leistungsfähiger. Letztendlich bleibt es bei einem Spruch, den ich im Systemkameraforum gelesen habe: “Deutsche Kameras sind wie englische Sportwagen – entweder man liebt sie oder man kann nicht verstehen warum sich jemand das antut.”
05.08.2012
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