Zwei Wochen mit der Leica M9
Ein Freund war so nett mir seine Leica für zwei Wochen zu leihen. Nachdem mein kurzer Test der M8 eher negativ ausgefallen war, meinte er ich solle mich mit der M9 mal ausführlicher beschäftigen um ein besseren Eindruck zu bekommen.
Juhu, eine Leica M9 mit einem Summilux 35/1.4, der Traum jedes Leica-Fotografen – und sicherlich deutlich besser als die Leica M8 mit einem Voigtländer 35/1.4, was ich zuvor getestet hatte. Dazu zwei Wochen Zeit um sich ans manuelle Scharfstellen und das ‘andere’ Fotografieren zu gewöhnen.
Das kann ja nur besser werden; zu Beginn war ich fest überzeugt, dass dieser Testbericht positiver als der vorherigen ausfallen würde. Allein die technischen Daten zeigen ja schon, dass die M9 viel besser als die M8 ist:
- Vollformat (Kleinbild) statt Crop 1.3
- DNGs mit 14 Bit statt 8 Bit
- 18 Megapixel, besseres Rauschverhalten
- Belichtungskorrektur besser zu bedienen, Belichtungsmessung angepasst
Fangen wir mit der Haptik an, schließlich nimmt man die Kamera erstmal in die Hand bevor man ein Foto macht. Ist die schwer! Ein Blick ins Datenblatt bestätigt, die M9 mit dem 35er Lux wiegt 905g, während eine Canon 600D mit Kitobjektiv 770g wiegt. Dazu kommt, dass man eine DSLR viel besser halten kann, weil sie einen Handgriff hat. Die Leica ist einfach nur glatt, von Ergonomie keine Spur. Hier siegt eindeutig Form über Funktion.
Das hohe Gewicht kommt aber auch daher, dass hier fast kein Kunststoff verarbeitet wurde, sondern Metall. In der Tat ist die Kamera sehr wertig verarbeitet. Insbesondere beim Objektiv fällt das auf, weder Fokus- noch Blendenring haben auch nur das kleinste Spiel, hier wurde sehr gut gearbeitet. Das war beim Voigtländer 35er nicht ganz so, allerdings kostet das Leica 35er auch den zehnfachen Preis.
So, jetzt wurde die Kamera genug abgetastet, jetzt werden Fotos gemacht! Erstes Problem: ich kann als Brillenträger den Sucher nicht ganz überblicken. Das ist ziemlich ärgerlich und das hatte ich bei diversen DSLR und Mirrorless nicht. Der Blick durch den Sucher der M9 zeigt ein Blickfeld entsprechend 24mm, d.h. der Rahmen für 35mm ist ein Stück weiter innen, aber auch den kann ich nicht ganz überblicken und muss beim Fotografieren immer ein wenig im Sucher hin- und herschauen.
Die Bedienung gibt soweit keine großen Rätsel auf. Hier gilt Leicas Werbespruch “Das Wesentliche”, denn das Menü der M9 ist kürzer als jenes der Canon 5D Mk I – und das will schon etwas heißen. Schmunzeln muss ich bei den im Sucher eingeblendeten Zahlen für Belichtungszeit/-korrektur, sowas habe ich lange nicht gesehen. Die roten LCD-Balken müssen direkt aus den 80er Jahren kommen; ich wusste gar nicht, dass sowas noch hergestellt wird.
An das manuelle Fokussieren an sich kann man sich gewöhnen. Hat man einmal verstanden, dass der Schieber unten am Fokusring in der Mitte immer einer Entfernung von 1,5m entspricht und nach links näher und nach rechts weiter entfernt bedeutet – dann ist man recht schnell im richtigen Entfernungsbereich unterwegs und braucht nur noch die Muster im Schnittbildentfernungsmesser genau übereinander zu legen. Damit kann man auch mit f/1.4 noch exakt fokussieren.
Aber leider braucht man dafür erstmal ein passendes Muster bei seinem Motiv und das auch in der Bildmitte! Das bedeutet man muss zum Fokussieren die Kamera verschwenken, das hätte ich nicht erwartet. Eine vertikale Kante gilt es also beim Motiv zu finden, sonst wird es schwierig mit dem Scharfstellen. Mehrere gleichmäßige sollten es auch nicht sein, dann sieht man nur noch irgendwelche Schattierungen im Schnittbildentfernungsmesser, die man nicht klar zuordnen kann.
Da kann ich durchaus verstehen, dass einige Leica-Fotografen Zonen-Fokus benutzen oder anders gesagt die Entfernung einfach schätzen und dies einstellen. Das mag auch mit kleineren Blenden gut fokussieren, aber eben nicht bei großen Blenden… und hat man nicht gerade einen Kamera mit Kleinbildsensor um damit auch große Blenden und deren Bildlook nutzen zu können? Das ist auch der nächste Punkt, der mir beim Fotografieren aufgefallen ist. Wenn ich mit einer DSLR fotografiere, dann sehe ich auf der Mattscheibe den Bildlook mit offener Blende, ich sehe Unschärfeverläufe – durch den Sucher der Leica sehe ich nichts davon, es ist einfach alles scharf. Hier braucht es schon etwas Abstraktionsvermögen sich die Bildwirkung vorzustellen.
Ehrlich gesagt habe ich in den zwei Wochen mit der Leica das Prinzip einer Spiegelreflexkamera erst zu schätzen gelernt. Beim Fotografieren an sich, bei der Abschätzung des Bildausschnitts, der Komposition, des Schärfeverlaufs ist es doch erheblich, was für einen konzeptionellen Nachteil eine Sucherkamera hat! In der Mitte des 20. Jahrhunderts mag das nicht anders zu lösen gewesen sein, aber am Anfang des 21. Jahrhunderts ist es ein Konzept, welches meiner Meinung nach völlig überholt ist.
Jetzt habe ich viel über Einschränkungen und Nachteile geschrieben, wo sind die Vorteile? In Fotoforen wird ja gerne gelästert, was die M9 alles nicht kann. Kein Liveview, keine Customfunctions und WLAN hat sie auch nicht 🙂 Im Ernst, schauen wir mal auf das Wesentliche, die Bildqualität. Dazu muss ich zuerst sagen, dass das Summilux sehr gut ist. Die Kontraste sind selbst bei Offenblende hervorragend, das ist deutlich besser als z.B. beim Nikon 50/1.4. Auch der Farbeindruck und das Bokeh sind hervorragend. Ist es aber besser als beim Canon 35/1.4L oder Nikon 35/1.4G? Das ist für mich nicht sichtbar. Ich habe allerdings auch keine Backsteinwände mit Offenblende fotografiert.
Was mich mehr interessiert hat, ist die Dynamik in den DNGs und das Rauschverhalten. Ehrlich gesagt, da hätte ich mehr erwartet. Mit der D700 will ich die M9 gar nicht vergleichen, da liegen Welten dazwischen. Die D700 hat zwar nicht die Pixelschärfe, aber Dynamik und Rauschverhalten sind um Größenordnungen besser. Ich möchte die M9 mit der 5D Mk I vergleichen. Beides sind etwas ältere Kameras mit hervorragender Pixelschärfe und eher bescheidenen HighISO-Fähigkeiten. Bei den Bildern der M9 allerdings möchte ich schon bei ISO 640 ein wenig die Rauschreduzierung in Lightroom aktivieren, spätestens wenn ich auf die Idee komme die Tiefen etwas aufzuhellen. Die Dynamik selbst in den DNGs ist auch nicht überwältigend, gerade hier bin ich doch etwas enttäuscht und hätte in den Lichtern und Tiefen mehr erwartet.
Was bleibt nun? Eine Performance ähnlich einer 5D Mk I, aber mit deutlichen Einschränkungen. Es gibt weder ISO 50 noch 3200, von Serienbildern rede ich besser gar nicht und das Display ist auch arg bescheiden. (Tatsächlich ist es weniger das Display, welches schrecklich ist, sondern die Vorschau-JPGs.) Ich kann mit der M9 nicht im Nahbereich fotografieren, ich kann kein Ultraweitwinkel benutzen und Tele auch nicht. Fotografiere ich aber mit einer Festbrennweite zwischen 28 und 60 mm bei ISO 160, dann bekomme ich Bilddateien in sehr hoher Qualität.
Fotografiere ich nun mit der Leica besser? Immerhin mache ich mit einer Festbrennweite durch die bewusste Festlegung auf eine einzige Brennweite besser komponierte Bilder als mit einem Zoomobjektiv. Führt nun die weitere Beschränkung auf ‘das Wesentliche’ zu besseren Bildern? Klare Antwort: Nein, nicht für mich. Vielleicht bin ich in meinem fotografischen Workflow schon sehr auf eine DSLR eingeschossen, aber die Beschränkungen führen bei mir eher zu schlechteren als zu besseren Bildern. Natürlich kann man damit fotografieren, so wie man auch mit einem alten Hollandrad ohne Gangschaltung eine Fahrradtour machen kann. Allerdings kommt man damit nicht besser die Berge hoch, auch nicht wenn das Hollandrad seit Jahrzehnten so unverändert gebaut wird, der Lenker aus dem Vollen gefräst und der Sattel mit erlesenen Leder bezogen ist. Eine Fahrradtour macht dennoch mehr Spaß, wenn das Rad eine Gangschaltung hat und ergonomisch gebaut ist – selbst wenn man im flachen Rheinland unterwegs ist.
Die Leica und ich, wir werden also keine Freunde werden. Dennoch waren die zwei Wochen eine interessante und lehrreiche Erfahrung. Seitdem schätze ich das Konzept einer DSLR sehr. Und ich habe großen Respekt für Fuji’s Kameras der X Serie, die mit aktueller Technik eine ansprechende Alternative für die bieten, die ihre alten M Objektive weiterbenutzen wollen oder denen einfach eine DSLR zu groß ist. Die Leica M selbst, so ehrwürdig sie sein mag, halte ich für überholt und kann heutzutage keinen Grund sehen sich dafür zu entscheiden.
23.12.2012
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Vor einigen Wochen hatte ich den Artikel über die Leica M8 geschrieben.
Naja, geringe Dynamik würde ich nicht sagen. Ist alles eine Frage der Sehkraft 😉
Ich habe eine Fuji x-e 1 und finde sie klasse. An die Natürlichkeit einer M9 (Farbe, Lebendigkeit, der oftmals dreidimensionele Bildeindruck) kann aber selbst die nicht heran reichen. Ich liebe die Fotos die man mit einer M9 machen kann, weil sie eine hervorragende Qualität haben ohne wie übliche Digitalbilder auszusehen. Erkennt man da keinen Unterschied sollte man sich das Geld aber sparen.
Habe Deine Berichte über M8 und hier über M9 mit Interesse gelesen. Mir reicht eine DSLR und wenn ich entschleunigen will, fotografiere icht mit 50mm auf Rolle
Mich reizt Street und dafür wäre ich mit einer Leica und meiner Gleitsichtbrille sicher zu langsam. Für Tierfotografie bin ich mit AF und Tele auch besser dran.
Also müßte ich eine Leica als Zweitgerät nutzen – dann nutzt mir das geringe Gewicht aber nicht mehr, weil ich dann mindestens zwei Kameras dabei hätte.
Für Drei-Tages-Stadtausflüge stört mich zur Zeit noch der Preis bei dieser eingeschränkten Verwendungsmöglichkeit.
Danke für Deine Einschätzung !
Ich denke mit einer M muss man einfach zurecht kommen, oder eben nicht.
Nur weil man einen Führerschein hat kann man das Fahrgefühl mit einem aktuellen günstigeren Kleinwagen, einem Oldtimer oder einem Königsklasse nicht vergleichen.
So auch ein Vergleich der M mit einer DSLR. Einfach nicht adäquat möglich.