Der erste Kontakt: Sony A7RII
‘Der erste Kontakt’, das war mal ein Star Trek Film. ‘Wir sind die Borg. Sie werden assimiliert werden. Widerstand ist zwecklos.’, hieß es da. Ähnlich scheint das mit der Sony A7RII zu sein, eine Macht, der man sich kaum widersetzen kann 🙂 Ich habe mir die spiegellose Kamera mit Kleinbildsensor vor einem Monat gekauft.
Was hat Sony da nur für eine Kamera herausgebracht… der ‘Game-Changer’, der ‘DSLR-Killer’ soll es sein. DPReview schreibt ‘Did Sony just do the impossible’. Es geht um die neue Sony A7RII, die auch Alpha 7R Mark II oder ILCE-A7RM2 genannt wird. Ich habe mir die Kamera direkt bei Erscheinen gekauft und habe sie nun seit einem Monat. Ich wollte nicht sofort etwas dazu schreiben, sondern erstmal einige Erfahrungen sammeln und mir selbst ein Eindruck davon verschaffen. Nun wird es aber höchste Zeit mal etwas zu dieser Kamera zu schreiben.
Seit Sony die A7-Reihe gestartet hat, hat sich einiges getan. Ich habe in einem vorigen Artikel schon geschrieben, warum ich die A7-Reihe für einen fotografischen Meilenstein halte. Ich meine, ich fotografiere seit knapp zehn Jahren mit DSLRs und habe in den letzten Jahren auch einige Mirrorless-Kameras ausprobiert. Alle waren nett als Zweitkameras, aber keine war in der Lage wirklich die DSLR zu ersetzen. Die Sony A7RII ist nun angetreten um genau dies zu tun. Die Spezifikationen sind ziemlich beeindruckend:
- 42 Megapixel Kleinbild Sensor ohne AA-Filter
- BSI (Back Side Illuminated) Sensortechnik
- IBIS (In Body Image Stabilization) stabilisiert alle Objektive
- Gedämpfter Verschluss, ausgelegt für 500.000 Auslösungen
- On-Sensor-PDAF (Phase Detection Autofocus) mit 399 Feldern
- Elektronischer Sucher mit 0,78x Vergrößerung
- 4K-Video, Augen-AF, Klappdisplay, AF für adaptierte Objektive usw.
Der Sensor
Die Kamera verfügt über einen Vollformat-Sensor mit 42 Megapixeln Auflösung und hat keinen AA-Filter. Das bedeutet beim Reinzoomen ins Bild muss man einen kleinen Moment warten und wenn dann die Anzeige soweit ist, stellt sich der Wow-Effekt ein. Ich fand die Detailauflösung bei meiner Canon 6D schon ziemlich gut, aber die Sony schafft es tatsächlich bei doppelter Auflösung eine Grundschärfe zu bieten, die mit der Canon locker mithalten kann. Die hohe Auflösung bietet somit auch enorme Reserven, wenn man ein Bild beschneiden möchte. Es ist auch denkbar die A7RII mit APS-C-Objektiven zu benutzen, immerhin bietet sie dann noch 18 Megapixel Auflösung.
Die BSI-Sensortechnik ermöglicht es den einzelnen Pixeln durch optimierte Mikrolinsen relativ groß zu sein. Jedenfalls verspricht Sony für die Kamera nicht nur eine hohe Detailauflösung sondern auch eine großen Dynamikumfang und gute High-ISO-Möglichkeiten. Tatsächlich kann ich nach den ersten Erfahrungen sagen, der Dynamikumfang ist hervorragend und das Rauschverhalten im High-ISO-Bereich spektakulär. Meine Canon 6D war eigentlich schon sehr gut im High-ISO-Bereich, ein Freund nannte die Kamera ‘Lord of the Darkness’, diesen Titel muss sie nun abgeben. Die A7RII ist meiner Meinung nach fast zwei Blenden besser. Auf einem Personenfoto mit ISO 51.200 konnte in der 100% Ansicht noch die Stoffstruktur des Poloshirts gut erkennen. Ich muss sagen, ich bin beeindruckt. Insgesamt ist das Rauschen ein eher feines Luminanzrauschen, was sich auch gut korrigieren lässt.
Was das Fotografieren bei schlechten Lichtverhältnissen angeht, muss ich noch etwas zum Bildstabilisator schreiben, denn der Sensor selbst ist ja stabilisiert. Eigentlich dachte ich, die Stabilisierung im Objektiv wäre effektiver, aber Sony beweist hier das Gegenteil. Ich bin absolut erstaunt, welche Verschlusszeiten mit der A7RII aus der Hand möglich sind. Zudem ist die Bildstabilisierung für alle Objektive verfügbar. Das ist ein dicker Pluspunkt.
Der Verschluss
Der Verschluss ist bis 500.000 Auslösungen ausgelegt und gedämpft. Die Auslösung ist relativ leise und erschütterungsfrei. Der erste Verschlussvorhang wird elektronisch betätigt. Die Kamera kann aber auch komplett elektronisch den Verschluss auslösen; damit ist es möglich vollkommen geräuschlos zu fotografieren. Aus irgendeinem Grund zeichnet sie dann aber keine 14-Bit-Raws mehr sondern nur noch 12-Bit-Raws auf. Die kürzeste Verschlusszeit beträgt 1/8000s, die Blitzsynchronzeit liegt bei 1/250s. Wobei ich beim manuellen Blitzen mit einem Yongnuo YN560-III bei 1/250s noch ein wenig den Verschlussvorhang im Bild habe. Bei 1/200s ist das dann nicht mehr der Fall. Das Verschlussgeräusch empfinde ich als recht angenehm und leise; das kommt vermutlich von dem Dämpfungsmechanismus.
Der Autofokus
Die Kamera hat Phasen-Autofokus-Punkte direkt auf dem Sensor (On-Sensor-PDAF). Es handelt sich um 399 Phasen-Autofokus-Felder, die einen großen Teil der Bildfläche einnehmen. Es gibt verschiedene Autofokus-Funktionen; die Kamera kann mit Hilfe der Gesichtserkennung auch automatisch auf das nächstgelegene Auge fokussieren. Dieser Augen-AF ist in der Tat eine tolle Sache. Überhaupt finde ich die Performance des AF-C ziemlich gut und die Motivverfolgung über den halben Sucher klappt auch sehr gut. Der Autofokus arbeitet bis zu einer Helligkeit von -2 EV. Die Performance des Autofokus in dunklen Umgebungen kann ich auch nur als gut bezeichnen – und ich bin hier vom mittleren AF-Feld der Canon 6D durchaus verwöhnt. Angeblich funktioniert der Autofokus nicht nur mit Sony E-Objektiven sondern auch mit adaptierten Sony A-Objektiven sowie mit Canon EF-Objektiven. Ferner sind in den letzten Tagen erste Adapterlösungen für Nikon- und Contax-Bajonett aufgetaucht, die auch Phasen-Autofokus unterstützen sollen. Dazu habe ich keine eigenen Erfahrungen, weil ich bisher nur Sony FE-Objektive verwendet habe. Mit Sicherheit ist die AF-Leistung bei adaptierten Objektiven eingeschränkt, zumindest der Augen-AF funktioniert dann nicht.
Das Gehäuse
Die A7RII hat ein Magnesium-Gehäuse und verfügt über ein klappbares 3″-Display. Außerdem hat sie diverse Funktionsknöpfe, die sich mit verschiedenen Funktionen belegen lassen. Die Kamera ist 127 x 96 mm groß und wiegt 582 Gramm. Sie hat einen elektronischen Sucher mit OLED-Technik und Zeiss T* Beschichtung. Der Sucher hat XGA-Auflösung und bietet eine enorme Vergrößerung von 0,78x. Ich muss sagen es ist der beste elektronische Sucher, den ich bisher gesehen habe und das Sucherbild ist sehr groß. Dennoch ist es etwas anderes als ein optischer Sucher einer DSLR. Der elektronische Sucher hat aber durchaus einige Vorteile, z.B. als Nachtsichtgerät in dunklen Umgebungen. Was wirklich ein Vorteil ist, man sieht direkt die Belichtung, auf Wunsch sogar mit eingeblendeten Histogram. So kann man die Belichtungskorrektur vor der Aufnahme direkt passend einstellen. Interessant ist auch, dass das Sucherbild quasi schon das bearbeitete Bild darstellt. So ist die Verzeichnungen des FE 28mm Objektivs beim Blick durch den Sucher bereits korrigiert.
Video
Ja, die Kamera macht neben Fotos auch Video. Tatsächlich ist es die erste Vollformat-Kamera mit interner 4K-Aufzeichnung. Auch die übrigen Funktionen wie die Sensorstabilisierung und der fortschrittliche Autofokus sind für Videofilmer ganz hervorragend. Ich mache aber kein Video, daher interessieren mich diese Funktionen weniger.
Fazit
Ingesamt scheint die Kamera ein Wahnsinnspaket zu sein. Auflösung, Detailreichtum und Dynamikumfang ohne Ende sowie dazu noch ein spektakulärer Autofokus; alles in einem kompakten Gehäuse mit einem riesigen Sucher und Klappdisplay; dazu noch quasi eine Nachtsichttauglichkeit – was will man mehr? Eine bessere Akkulaufzeit vielleicht. Und die GPS-Funktion meiner Canon 6D vermisse ich auch, jetzt muss ich bei Touren extra mit meinem iPhone tracken. Ansonsten scheint die Kamera wirklich toll zu sein; die Raw-Dateien sind jedenfalls spektakulär gut und es ist eine Freunde damit in Lightroom zu arbeiten.
Links
Hier eine Auswahl von Links zur Sony A7RII:
- Vorstellung bei Photoscala
- Vorab-Review von Brian Smith
- Meinung von DPReview
- Artikel zum AF bei Low Light von DPReview
- Review von Dear Susan
- Review von Luminous Landscape
- Review von Steve Huff
- Video-Review von DigitalRevTV
06.09.2015
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Ich kann nach 3 Monaten intensiver Arbeit im Wesentlichen den obigen Eindruck bestätigen. Hier noch einige Anmerkungen. Es ist empfehlenswert, den Batteriehochformatgriff grundsätzlich an der Camera zu haben. Ersten ist die Energiesituation deutlich entspannter, 2. läßt sich das Ensemble mit Objektiv deutlich besser handhaben. Wirklich gibt es nur einen ernsten Mangel: Einen 2. Slot für die Datenaufzeichnung. Ansonsten begrüße ich ich, daß es nun endlich einen Body gibt, den ich mit nativen Zeissobjektiven (OHNE Adapter) verwenden kann. Seit meiner ContaxRTS 3 und der DigitalN1 lebe ich sozusagen in der fotografischen Diaspora. Ich bin rundherum glücklich und zufrieden.