iPhone Dual-Kamera mit Bokeh

Vor einer Woche ist die Photokina zu Ende gegangen. Die weltgrößte Fotomesse hatte dieses Mal eher nur verhaltene Neuigkeiten zu bieten. Eine meiner Meinung nach große Neuigkeit zum Thema Fotografie hat Apple aber bei der Vorstellung des iPhone 7 Plus am 7. September bekannt gegeben und darauf möchte ich heute etwas eingehen.

Wie ich in meinem Fazit zur Photokina geschrieben habe (am Ende des zweiten Teils von meinem Bericht) sind Kompaktkameras praktisch tot, denn sie wurden durch Smartphones abgelöst. Systemkameras haben noch ihre Daseinsberechtigung (bei hoher Auflösung, variablen Brennweiten, selektive Tiefenschärfe), aber die Masse der Bilder wird heute tatsächlich mit Smartphones aufgenommen. Die meistgenutzte Kamera weltweit ist derzeit tatsächlich das iPhone. Das liegt einerseits daran, dass es inzwischen recht gute Bilder liefert, und andererseits einfach daran, dass man es immer dabei hat.

Kurz zu den technischen Daten der Kamera im neuen iPhone: Die Auflösung steigt von 8 Megapixel auf 12 Megapixel und das Objektiv bietet nun eine Lichtstärke von f/1.8. Die Brennweite entspricht nach wie vor 28mm am Kleinbild, neu ist dabei eine optische Bildstabilisierung. Der Bildsensor wird von Sony geliefert und sorgt trotz kleinen Abmessungen für eine verhältnismäßig gute Bildqualität. Er verfügt auch über Phasen-AF-Pixel für ordentlichen Autofokus. Für die Rückkamera gibt es einen Mini-LED-Blitz, der sich aufgrund unterschiedlich farbiger LEDs in der Farbe (Weißabgleich) anpassen kann. Die Frontkamera bietet nun 7 Megapixel Auflösung. Sie hat keinen LED-Blitz, aber man kann bei Selfies das Display zur Ausleuchtung nutzen. Es blitzt dann kurz auf, angeblich mit dem dreifachen der sonst üblichen maximalen Helligkeit. Soweit alles ganz nett, aber nicht revolutionär.

Richtig interessant wird es beim iPhone 7 Plus, denn hier gibt es eine zweite Kamera an der Rückseite mit Lichtstärke f/2.8 und einer Brennweite entsprechend 56mm am Kleinbild. Damit hat man nun nicht mehr nur die Weitwinkel-Festbrennweite zur Verfügung sondern erstmals auch eine leichte Tele-Brennweite oder besser gesagt ein Normalobjektiv. Das erweitert die fotografischen Möglichkeiten enorm und ist gerade in Hinblick auf Portraits eine willkommene Ergänzung. Man kann nun also beim Fotografieren mit dem iPhone zwischen den beiden Brennweiten entsprechend 28mm und 56mm umschalten.

Dennoch gibt es immer noch einen wesentlichen Unterschied zwischen Smartphone-Fotos und Systemkamera-Fotos. Es ist die Tiefenschärfe. Während bei Smartphone-Fotos alles im Bild von vorne bis hinten scharf ist, hat man bei Systemkamera-Fotos eine geringere Tiefenschärfe. Ich kann z.B. ein Portrait mit einem unscharfen Hintergrund aufnehmen. Diese Eigenschaft macht ganz wesentlich den Bildlook von Systemkameras aus. Sie ist einer der Gründe zu einer Kamera mit einem großen Bildsensor und einem Objektiv mit gewisser Lichtstärke zu greifen, denn mit einem kleinen Bildsensor lässt sich diese Unschärfe – Bokeh genannt – nicht erreichen.

Hier setzt nun Apple an mit einer geschickten Softwarelösung. Da das iPhone 7 Plus zwei nebeneinander liegende Kameras an der Rückseite hat, kann es praktisch räumlich sehen, wenn man die beiden Bilder miteinander verrechnet. Das Gerät kann dann erkennen, welche Bildbereiche sich nahe an der Kamera befinden und welche weiter entfernt sind. Nun wird auf die weiter entfernten Bildbereiche ein Bokeh-Filter angewendet um sie unscharf darzustellen. Im Endeffekt erhält man so ein Foto, was dem Look einer großen Systemkamera verblüffend nahe kommt. Das ist meiner Meinung nach eine Sensation.

Apple ist nicht der erste Smartphone-Anbieter, der diese Technik auf Fotos anwendet, das Huawei P9 hat eine ähnliche Funktion. Aber Apple scheint der Erste zu sein, der die Funktion recht gelungen in die Software einbettet und wo die Ergebnisse nicht so unnatürlich aussehen. Das iPhone 7 Plus wird seit ein paar Tagen ausgeliefert und die iOS 10 Software ist auch erhältlich. Der Portrait-Mode (so nennt sich die Bokeh-Funktion) wird aber erst demnächst mit iOS 10.1 verfügbar sein. Erste Tests berichten jetzt schon von tollen Ergebnissen (die Beispielbilder zeigen den Unterschied recht gut) und ich bin sicher, dass in den nächsten Wochen viel von dieser neuen fotografischen Möglichkeit für Fotos aus dem iPhone die Rede sein wird.

Ich denke damit kommt die Smartphone-Fotografie der herkömmlichen Fotografie noch ein Stück näher. Durch die zweite Brennweite werden neue Perspektiven ermöglicht und durch den sogenannten Portrait-Mode kann die Kamera erstmals den Bildlook großer Systemkameras erreichen. Kurz gesagt das iPhone kann jetzt auch Bokeh! Nun werden noch mehr Leute als zuvor sich überlegen, ob sie wirklich noch eine Systemkamera brauchen oder nicht einfach nur mit dem Smartphone ihre Bilder machen.

P.S. Das iPhone kann jetzt neben JPG auch RAW. Das würde ich aber nicht überbewerten, denn die Standard-Foto-App nimmt nach wie vor nur JPG auf. Um Bilder als RAW (DNG) aufzunehmen benötigt man eine andere Foto-App wie z.B. Lightroom Mobile. Weder die HDR-Funktion noch den Portrait-Mode kann man dann benutzen. Der Kontrastumfang der RAWs wird aufgrund des kleinen Sensors auch nicht so groß sein d.h. die Möglichkeit ausgebrannte Lichter zurückzuholen oder Tiefen aufzuhellen nur in einem eingeschränkten Umfang funktionieren. Vermutlich liefert hier ein JPG mit der HDR-Funktion die besseren Ergebnisse, weil dabei zwei unterschiedliche Belichtungen zu einem Bild zusammen gerechnet werden. Ein direkter Vergleich dazu wäre mal interessant. Dennoch ist es erfreulich, dass nun beide Formate verwendet werden können.

02.10.2016

You may also like

Leave a comment