Reden wir über Mittelformat
Eigentlich ist bei der (Digital-)Fotografie das Kleinbildformat das Maß aller Dinge. Deswegen wird die Brennweite eines Objektivs auch immer als Äquivalent zu diesem Format angegeben. Aber es gibt auch digitale Mittelformatkameras mit größeren Sensoren, neuerdings sogar als Mirrorless-Mittelformat-Kameras. Was hat es mit dem Mittelformat auf sich und weswegen werden dafür Preise wie bei einem Auto bezahlt?
Damals, als es noch keine Digitalkameras gab und man mit Film fotografierte, da war es noch recht einfach mit den Formaten. Es gab den beliebten Kleinbildfilm (36x24mm), dann gab es Rollfilm für Mittelformat (60x45mm bis zu 60x90mm) und es gab Großformat mit Planfilm (120x90mm und größer). Später dann im Zeitalter der Digitalfotografie, also in den letzten beiden Jahrzehnten, kamen dann verschiedene kleinere Bildformate auf. Diese Formate und ihren jeweiligen Cropfaktor habe ich in diesem Artikel erläutert.
Die klassische Mittelformatkamera besteht aus einem Kameragehäuse, an das sich vorne ein Objektiv anschließen lässt (soweit nicht ungewöhnlich), oben ein Sucher und hinten ein Rückteil (Filmkassette oder Rückteil mit Digitalsensor). Sie ist also modular aufgebaut. Ein bekannter Hersteller ist Phase One, zu dem auch die Marke Mamiya gehört. Neulich habe ich bei einem Fotohändler ein Angebot gesehen für so eine Kamera im Kit mit einem 80/2.8 Objektiv für knapp 8000 Euro. Allerdings ist da noch kein Rückteil dabei! Dieses Teil, das den digitalen Bildsensor beinhaltet, ist richtig teuer. Es kostet zwischen 20.000 und 40.000 Euro, das ist wirklich heftig. Wer kann und will schon so viel Geld für ein Kamerasystem ausgeben?
Man könnte sagen, weil die Preise so hoch sind, sind die Stückzahlen so niedrig. Und weil die Stückzahlen so niedrig sind, sind die Preise so hoch. Aber eigentlich ist es der große Digitalsensor, der für die hohen Preise sorgt. Die Chips werden ja auf einem Wafer hergestellt und mit zunehmender Größe steigt der Aufwand exponentiell an. Daher sind APS-C-Chips auch deutlich günstiger herzustellen als Kleinbild-Chips. Und ein Mittelformat-Chip ist eben sehr aufwändig herzustellen und kostet richtig viel Geld, einfach wegen seiner Größe.
Wie groß ist der Bildsensor nun genau? Schaut man sich die verschiedenen Chips von Phase One an, so gibt es die “volle” Größe mit 54x40mm. Das entspricht ungefähr dem alten Aufnahmeformat von 56x42mm, welches als 60x45mm bezeichnet wurde. Insofern wird das hier als “Crop 1,0” bezeichnet. Diese Bildsensoren sind richtig teuer und bieten auch sehr hohe Auflösungen (derzeit 100 Megapixel). Dann gibt es einige Modelle von Phase One, die eine Sensorgröße von 49x37mm verwenden. Dieses etwas kleinere Format wird mit “Crop 1,1” bezeichnet. Außerdem gibt es einige Modelle mit einer Sensorgröße von 44x33mm, sozusagen “Crop 1,3”. Diese Modelle sind etwas wirtschaftlicher.
Die gleiche Sensorgröße von 44x33mm verwendet auch die Pentax 645 und auch die Leica S mit ihrem 45x30mm Sensor hat praktisch die gleiche Sensorgröße (nur im Seitenverhältnis 3:2 statt 4:3). Die Besonderheit bei diesen beiden Kamera ist, dass es sich um integrierte Systeme handelt. Kameragehäuse und Rückteil bilden eine Einheit wie man es von einer DSLR kennt. So benötigt man auch nicht zwei verschiedene Stromversorgungen sondern hat ein Komplettsystem und nur einen Akku. Während die Leica S mit ungefähr 20.000 Euro nicht als Schnäppchen gilt, hat die Pentax 645Z mit einem Preis von 10.000 Euro (Straßenpreis 8.000 Euro) schon eher den Ruf eines Preisbrechers im Mittelformat-Segment.
Hier kommen nun die beiden Neuheiten der Photokina ins Spiel, die Fujifilm GFX und die Hasselblad X1D. Beides sind Mirrorless-Mittelformat-Kameras mit der Sensorgröße 44x33mm und verwenden einen Sony-Bildsensor mit 50 Megapixel. Den Spiegelmechanismus hat man hier also zugunsten eines kurzen Auflagemaßes weggelassen. Das Bild wird im elektronischen Sucher oder auf dem Display angezeigt. Mit einem Preis von knapp unter 10.000 Euro sind beide Angebote durchaus interessant.
Aber was ist eigentlich der Vorteil eines großen Sensors, warum soll Mittelformat so toll sein? Ein großer Sensor bedeutet zunächst, dass die einzelnen Pixel recht groß sind. Damit bekommt jeder Pixel relativ viel Licht und kann einen großen Farb- und Dynamikumfang liefern. Außerdem können so auch hohe Auflösungen realisiert werden, die von den Mittelformatobjektiven auch tatsächlich geliefert werden. So ist eine digitale Mittelformat-Kamera in der Lage ein Bild mit 100 Megapixel Auflösung und 14 Stufen Dynamikumfang zu liefern. Das ermöglicht insbesondere in der Bildbearbeitung enorme Möglichkeiten. Ob man diese Möglichkeiten auch tatsächlich benötigt, sei mal dahin gestellt. Dazu kommt noch, dass der optische Sucher bei Mittelformatkameras ein entsprechend großes Bild zeigt. Das halte ich aber für nicht mehr so relevant, da es inzwischen richtig gute elektronische Sucher gibt.
Ein anderer Punkt ist das Thema Blitzsynchronisation. Nicht selten werden Mittelformat-Kameras im Fashion-Bereich eingesetzt (die hohe Auflösung bringt unter anderem die Struktur der Stoffe recht gut rüber) und wenn so ein Shooting on Location stattfindet, dann muss man ja die Blitzbelichtung gegen das Sonnenlicht abwägen. Kameras wie die Pentax 645Z und auch die neue Fujifilm GFX haben eine normale Verschlussmechanik mit einer Blitzsynchronzeit von 1/125s (Werte wie 1/200s oder 1/250s einer DSLR werden hier nicht erreicht, weil der Verschluss ja eine größere Strecke aufgrund der Sensorabmessungen zurücklegen muss), wo hingegen Kameras wie die neue Hasselblad X1D und das Phase One System einen Zentralverschluss bieten. Bei Phase One werden dafür Objektive von Schneider-Kreuznach mit der Bezeichnung LS (Leaf Shutter) verwendet. Das Tolle beim Zentralverschluss ist, dass alle Belichtungszeiten mit dem Blitz synchronisiert werden können. Ich kann also z.B. mit der Hasselblad X1D ein Bild mit 1/2000s aufnehmen und habe kein Problem mit der Blitzbelichtung. Das ermöglicht nicht nur einen tollen Look mit großer Blendenöffnung sondern macht auch den verwendeten Blitz quasi leistungsstärker im Verhältnis zur Sonne, die bei der kürzeren Belichtung entsprechend geringer leuchtet.
Außerdem wird oft das Argument angeführt, dass Mittelformat-Kameras einen tollen Bildlook liefern hinsichtlich der Freistellung/Tiefenschärfe. Richtig ist natürlich, dass der größere Sensor eine entsprechend größere Freistellung liefert. Aber die Sache ist auch die, dass ich beim Mittelformat gerade mal Objektive mit f/2.8 bekomme, während ich beim Kleinbildformat auch Objektive mit f/1.4 kaufen kann. Soviel größer ist der Mittelformat-Sensor dann doch nicht. Eine starke Freistellung als Bildlook kann ich also tatsächlich besser mit dem Kleinbildformat und entsprechenden Objektiven erreichen.
Fazit
Mittelformatkameras haben eine große Faszination, sie gelten teils als der heilige Gral der Digitalfotografie. Aber digitale Kleinbild-Kameras bieten inzwischen auch hohe Auflösungen (Canon 5DS) und hohen Dynamikumfang (Nikon D810) oder beides (Sony A7RII). Zudem sind Kleinbild-Kameras handlicher und praktischer. Die einigermaßen erschwinglichen Mittelformat-Kameras im Preisbereich um 10.000 Euro können aber im speziellen Anwendungsfall durchaus interessant sein z.B. im Zusammenspiel mit Blitzbelichtung und Zentralverschluss.
(Das Titelbild habe ich auf der Photokina aufgenommen. Es zeigt die Hasselblad V1D Konzeptkamera.)
30.10.2016
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Technik ist ja nicht groß von Bedeutung, wenn ich einen anderen Beitrag richtig gelesen und interpretiert habe. Also tut´s auch jede andere Kamera, um emotionale Bilder einzufangen. 😉