Rückblick Rencontres Arles 2016
Anfang Juli habe ich das Fotofestival schlechthin besucht, die Rencontres im südfranzösischen Arles. Hier sind meine Eindrücke von diesem Fotofestival der Superlative.
Die Rencontres d’Arles haben eine lange Tradition. Seit 1970 findet dieses Fotofestival jeden Sommer im südfranzösischen Arles statt. Das Fotofestival gehört mit 100.000 Besuchern und einen Budget von über 6 Millionen Euro zu den größten weltweit. Es gibt zahlreiche Ausstellungen, teilweise in tollen historischen Gebäuden, sowie diverse Events wie Diskussionen, Workshops, Booksigning, Awards und abendliche Bildershows im Théâtre Antique.
Arles ist ein sehr schönes Städtchen mit 50.000 Einwohnern. Es liegt in Südfrankreich zwischen Marseille und Montpellier am Rande der Camargue. Die kompakte mittelalterliche Altstadt bietet viele historische Gebäude und einen wunderbaren Charme. Außerdem gibt es aus römischen Zeiten ein gut erhaltenes Theater sowie ein Amphitheater, die beide regelmäßig für Veranstaltungen genutzt werden und im Unesco-Weltkulturerbe gelistet sind.
Neben der Altstadt liegt der Parc des Ateliers, ein recht großes Gelände, was früher einmal Werkstätten der Bahn beinhaltete. Heute ist es ein Zentrum für Kreative und bietet mehrere große Hallen für Ausstellungen. Außerdem wird derzeit auf dem Gelände ein neues großes Gebäude gebaut, eine Art Turm, vom Architekten Frank Gehry. Der Gehry-Turm wird 2018 fertiggestellt werden und dann vermutlich das neue Wahrzeichen werden.
Mit den Rencontres d’Arles 2016 ging es am 4. Juli los. Die Eröffnungswoche bot einen vollen Kalender mit zahlreichen Veranstaltungen. Die meisten der Ausstellungen sind darüber hinaus noch bis Mitte September zu sehen. Ich persönlich habe am Montag erstmal einen Strandtag im Saintes-Maries-de-la-Mer eingelegt und bin dann am Dienstag in Arles durchgestartet um einige Ausstellungen anzuschauen.
Zunächst fühlte ich mich schlicht von der Anzahl der Ausstellungen und Locations erschlagen. Ganze 40 Ausstellungen in verschiedenen Locations im Stadtzentrum, das ist schon heftig. Dazu muss ich sagen, dass einige Locations wirklich umfangreich sind (die Hallen im Parc des Ateliers ähneln Messehallen) und andere Locations an sich schon faszinierend sind. Verschiedene Kirchen, teils aus dem 12. Jahrhundert, die Fondation van Gogh, das Kloster Saint-Trophime mit seinem Kreuzgang, sie alle sind wirklich beeindruckend.
Falls man mit den 40 Ausstellungen der Recontres d’Arles nicht genug hat, nun, dann gibt es ja noch das Off-Festival. Es nennt sich Voies Off und bietet sage und schreibe 80 weitere Ausstellungen. Praktisch kann man sich das so vorstellen, wenn man durch die Altstadt schlendert, dass sich so ungefähr in jedem dritten Gebäude eine Galerie mit einer Fotoausstellung befindet. In der Eröffnungswoche sind oft auch die Künstler anwesend, manchmal findet gerade eine Vernissage statt, oder ein Booksigning oder eine Opening Party oder man steht mit einem Glas Wein auf der Straße herum und redet über die Fotografie im Allgemeinen und Speziellen.
Am ersten Tag fühlte ich mich etwas erschlagen von der Masse der Ausstellungen. Außerdem hatten die Ausstellungen, die ich mir zuerst angeschaut hatte, auch nicht so richtig meinen Geschmack getroffen. Teilweise war mir der Stil zu sehr in Richtung Fotokunst und teilweise gab es auch Videoinstallationen und Kunstinstallationen, was eher nicht mein Ding ist.
Zurechtfinden konnte ich mich ganz gut mit meinen bescheidenen Französisch-Kenntnissen, aber da es sich um ein internationales Festival handelt, kommt man auch mit Englisch einigermaßen zurecht. Dazu kommt die entspannte Atmosphäre, die überall im Ort herrscht, sowie die gute Organisation und das freundliche Personal bei den Ausstellungen.
Das kulturelle Level des Fotofestivals und die Breite der Ausstellungen ist sensationell. Die Atmosphäre im Ort und das Angebot an abendlichen Events ist ebenfalls hervorragend. In den Tagen der Eröffnungswoche sieht man in der Altstadt von Arles fast jeden zweiten Besucher mit einem Festivalpass um den Hals herumlaufen und sämtliche Gespräche in den unzähligen Cafes und Bistros scheinen sich um die Fotografie zu drehen.
Beeindruckt haben mich einige Bilder von Don McCullin, einem britischen Kriegsfotografen. Seine Ausstellung war sehenswert. Am Samstag Abend im Théâtre Antique stand er auch im Fokus, bei einem Gespräch, in dem er – inzwischen im hohen Alter – auf sein Leben als Kriegsfotograf zurückblickte. Deprimierend war seine Antwort auf die Frage, ob er mit seinem Lebenswerk, zahlreiche Bilder von den verschiedenen Konflikten zu veröffentlichen und so Aufmerksamkeit für diese Missstände und Unrechtstaten zu wecken, die Welt ein kleines Stückchen besser gemacht habe. Nein, so war seine Einschätzung, alles sei in den letzten Jahrzehnten nur noch schlimmer geworden. Naja.
Ein aktuelles Thema, dessen sich viele Fotografen auf verschiedene Art und Weise angenommen hatten, war natürlich auch die Flüchtlingskrise. An einem Abend besuchte ich die Bildershow vom Voies Off Festival im Cours de l’Archevêché (Klosterhof) und spätestens bei der fünften Bildstrecke zu dem Thema war mein Bedarf daran gedeckt.
Auch sonst hatte ich den Eindruck, dass die Kuratoren der Rencontres d’Arles den Anspruch hatten, dass die Ausstellungen entweder sehr künstlerisch, auch im Sinne von abstrakt, oder eben gesellschaftskritisch sein sollten. Eine sehenswerte Porträtserie afrikanischer Frauen beispielsweise stellte sich heraus, dass es sich um Frauen handelte, die wegen ihrer Homosexualität verfolgt und misshandelt wurden. Soweit ok, aber man kann doch auch mal eine Portätserie zeigen, wenn es einfach gute Porträts oder interessante Gesichter sind? Muss es denn immer irgendeine verfolgte Minderheit sein?
Viele der Ausstellungen trafen nicht meinen Geschmack, teils weil sie mir zu künstlerisch waren, teils zu mahnend und auf negative Aspekte fokussiert. Insofern haben die Rencontres d’Arles sicher einen anderen Ansatz als beispielsweise Horizonte Zingst, das Umweltfotofestival. In Zingst zeigen einige Ausstellungen die Schönheit der Natur, in Arles zeigen einige Ausstellungen die Missstände der Welt. Außerdem schien mir der Fokus der Kuratoren in Arles weniger auf handwerklich guter Fotografie zu liegen sondern eher auf künstlerisch oder gesellschaftlich anspruchsvoller Fotografie. Sicher ist das alles Geschmackssache. Vielleicht bin ich da auch etwas einfacher gestrickt.
Dennoch gab es vieles Spannendes, Interessantes oder auch Skurilles zu sehen. Zum Beispiel die eine Ausstellung über das Satiremagazin Hara Kiri. Oder eine afrikanische Ausstellung, wo der Fotograf berühmte Szenen aus Hollywoood-Filmen nachgestellt hat.
Bei der Abendveranstaltung am Samstag war dann der Krieg in Syrien nochmal Thema. Issa Touma, der Betreiber des Olympia Restaurant in Aleppo, war zu Gast. Er hatte den Kurzfilm ‘9 Tage’ dabei, in dem er den Krieg in seiner Straße dokumentiert, während er sich in seiner Wohnung verschanzte. Er hielt dann noch eine bewegte Rede. Ihm geht es ums Durchhalten, darum dass der Krieg zu Ende geht. Außerdem weigert er sich für eine Seite Partei zu ergreifen, denn jeder Mensch mit einer Waffe in der Hand ist kein guter Mensch. In der Bilderserie hier könnt ihr die Auswirkungen des Kriegs in Aleppo direkt sehen.
Später wurden dann noch eine paar Preise vergeben. Unter anderen gewann ein afrikanische Fotografin mit einer Modeserie mit einem Albino-Model. Sie war sehr gerührt, dass ihr vor so einem großen Publikum so viel Aufmerksamkeit zu teil wurde.
Bei einem der Workshops ging es um das Thema Virtual Reality. Praktischerweise konnte man das direkt ausprobieren, da einige entsprechende Brillen zur Verfügung standen. Es gab auch ein paar freundliche Personen, die die Bedienung geduldig erklärten. Eine spannende Sache, sich in virtuelle Welten zu begeben.
Und dann waren da natürlich noch Fotobücher. Fotobücher in Massen! Ich bin ja ein Fan von diesem Medium, weshalb mir das gut gefallen hat. Wahnsinn, wie umfangreich das war und wie viele Bücher es anzuschauen gab.
In einer alten Papierfabrik fand dann noch die Nuit de l’Année statt. Hier wurde im Rahmen von ‘Bring Your Own Paper’ jungen Fotografen die Möglichkeit gegeben ihre Bilder zu zeigen. Mit Tapetenkleister wurden die Bilder auf den Fabrikwänden präsentiert.
Es gab also sehr vielfältige Bildershows und Präsentationen aller Art, sowie Diskussionen, Meetings und Workshops in der Eröffnungswoche in Arles zu sehen und zu erleben.
Was ist nun mein Fazit? Ich habe mich sehr gefreut, dass ich die Gelegenheit hatte dieses berühmte Fotofestival zu besuchen. Ein Aufenthalt in Südfrankreich im Allgemeinen und in Arles im Speziellen ist sowieso eine tolle Sache. Die Urlaubstage dort wären auch ohne Fotofestival schon richtig gut gewesen, soviel hat die Gegend zu bieten. Die gebotenen Ausstellungen und Events sehe ich als Bonus, so konnte ich kräftig in das Thema Fotokunst eintauchen und viele Eindrücke und Inspirationen mitnehmen.
Außerdem finde ich es auch recht interessant, was einige Fotografen zu erzählen haben, wenn sie ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern und die ein oder andere Anekdote preisgeben. Dazu kommt die internationale Atmosphäre, so habe ich mit dem ein oder anderen Besucher des Festivals ein interessantes Gespräch geführt und auch andere Sichtweisen auf verschiedene fotografische Themen mitgenommen. Überhaupt nicht vermisst habe ich übrigens die Fotohersteller, die in Arles so gut wie gar nicht vertreten waren. Ich habe auch auf keiner einzigen der vielen Ausstellungen die Frage gehört, mit welcher Kamera ein Bild aufgenommen sei 🙂
Gut, der Artikel ist jetzt recht lang geworden, aber es gab viel zu erzählen. Ich hoffe ich konnte euch einen Eindruck von diesem großen Festival vermitteln und die ganze Geschichte etwas rüberbringen. Arles ist natürlich nicht direkt um die Ecke, aber falls ihr mal vorhabt im Sommer nach Südfrankreich zu fahren, dann ist ein Besuch in Arles auf jeden Fall meine klare Empfehlung.
Mehr zu den Rencontres d’Arles 2016 gibt es in diesem Artikel bei Lens Culture und in diesem Bericht bei Fotointern. Außerdem verlinkt dieser Artikel bei Focus Numerique zu verschiedenen Ausstellungen des Festival, die sozusagen virtuell besucht werden können.
22.08.2016
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Es macht Spaß diese unaufgeregten Berichte zum Beispiel über Arles zu lesen. Die richtige Mischung aus Text und Bild.