Muss das sein?
Warum werden moderne Objektive eigentlich immer größer und schwerer? Muss das sein? Warum bieten Objektivhersteller keine hochwertigen Linsen mehr, die auch halbwegs klein und tragbar sind?
So ein Riesenklotz! Wir haben das Jahr 2014 und ich schaue mir das Sigma 50/1.4 Art nochmal an. Was für ein Trümmer. 77mm Filtergröße und ein Gewicht über 800 Gramm. Dabei ist es nur eine 50mm Festbrennweite, die waren doch sonst eher klein und kompakt. Das Canon 50/1.4 USM hat 58mm Filterdurchmesser und wiegt weniger als 300 Gramm. Ich lege das Sigma zurück ins Regal.
Was für eine Linse! Wir haben das Jahr 2012 und schraube das Nikon AF-D 85/1.4 an meine D700 Kamera. Das 85er liegt gut in der Hand, es ist 74mm lang und 550g schwer. Ich bin mit den Bildergebnissen sehr zufrieden. Wechsel ins Jahr 2017. Sigma stellt ein neues 85/1.4 vor. Es ist 126mm lang und 1150g schwer. Das kann doch nicht deren Ernst sein, wer soll das schleppen?
Das sind nur zwei Beispiele und Sigma ist damit nicht allein. Quer durch alle Hersteller werden Objektive immer größer und schwerer. Immer wenn eine neue Linse erscheint, stellt sich die Frage wie viel diesmal an zusätzlichen Gewicht und Abmessungen dazu gekommen sind. Muss das sein?
Aber sicher, höre ich nun die Technikfreaks rufen, denn die alten Linsen waren ja überhaupt nicht gut. Erst mit der neusten Version dieses und jenes Objektivs lassen sich Fotos aufnehmen, die auch eine ordentliche Schärfe bieten. Da schau, das MTF-Chart und das Auflösungsdiagramm, die zeigen es ganz klar. Als ob alle zuvor gemachten Aufnahmen Schrott wären.
Mal ehrlich Leute, was soll das? Schaut ihr euch alle Fotos nur noch in 50-Megapixel-Auflösung in der 100%-Ansicht an? Wird jedes Bild als DIN-A0-Fineart-Poster gedruckt? Das ist doch totaler Blödsinn! Diese Pixelpeeper regen mich auf! Leute die mir erzählen wollen, man könne das Zeiss FE 16-35 nicht bei Offenblende benutzen. Was haben die eigentlich gemacht, als es bei Canon kein besseres Ultraweitwinkel-Zoom als das 16-35 II gab? Wahrscheinlich haben sie alle ihre alten Fotos vernichtet.
Mal ernsthaft, ich schätze hochwertige Objektive. Ich lege großen Wert auf ein gutes Bokeh und ich schätze auch hohe Detailauflösungen. Meine Kamera hat 42 Megapixel und ich schaue mir Bilder auch mal in der 100%-Ansicht an. Aber entscheidend ist der Gesamteindruck des Bildes. Wie ist das Rendering und die Farbwiedergabe, wenn das Foto als 20×30 Print gedruckt ist? Darauf kommt es doch letztendlich an. Diese Pixelpeeperei führt in keiner Weise dazu, dass die Bilder an sich besser werden.
Bei Kameras ist es in den letzten Jahren klar geworden, dass die meisten Fotografen kompaktere Geräte bevorzugen. Deswegen sind viele von DSLR zu Mirrorless gewechselt. Machen sie dadurch schlechtere Fotos? Ich denke nicht, eher im Gegenteil. Aber bei Objektiven scheint der Trend in die andere Richtung zu gehen. Sie werden immer größer und schwerer. Was bringt mir denn eine handliche leichte Mirrorless-Kamera, wenn ich ein großes schweres Objektiv dran schraube? Genau nichts.
Einzig Leica mit den M-Objektiven und Fujifilm mit den X-Objektiven bieten hochwertige Linsen, die gleichzeitig auch kompakte Abmessungen haben. Canon und Nikon lassen ihre Objektive mit jeder Neuauflage wachsen, während immer aufwendigere Kontruktionen für hochauflösende Sensoren, video-taugliche Autofokus-Antriebe und optimierte Bildstabilisatoren eingebaut werden. Sony und Zeiss haben ein paar wenige Schritte in die richtige Richtung gemacht (ich mag das FE 28/2 und insbesondere das 55/1.8 sehr gern), aber marschiert nun mit den G-Master-Objektiven komplett in die entgegengesetzte Richtung. Da ist mir auch egal, wie toll das Auflösungsvermögen dieser Objektive ist. Ich habe mir nicht eine handliche A7RII Mirrorless-Kamera zugelegt und mir dann einen 1kg-Glasklotz davorzuschrauben.
Da bleibt wohl nur die Möglichkeit, sich älteren Objektivmodellen zuzuwenden. Seit einigen Wochen nutze ich ein Voigtländer VM 35/1.2 II und erfreue mich an der tollen Bildqualität. Dabei ist das Voigtländer Objektiv mit 52mm Filtergröße und 62mm Länge schön kompakt. Mal zum Vergleich, das Sony FE 35/1.4 hat 72mm Filter und ist 112mm lang. Was für ein Unterschied.
Vielleicht traut sich ja mal demnächst ein Hersteller gute Objektive mit einigermaßen kompakten Abmessungen herauszubringen, auch wenn sie dann in den MTF-Charts nicht die allerhöchsten Werte erreichen. Sicher wird es dann auch wieder irgendeinen Fotografen geben, der sich in einem Forum darüber beschwert, dass bei 50 Megapixel bei Offenblende in der Ecke das Bild etwas unscharf ist. Alle anderen Fotografen werden solche Objektive trotzdem zu schätzen wissen.
26.02.2017
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Guter Artikel aber man sollte auch mft erwähnen, die richtig gute Linsen – leicht und auf leica-Niveau- haben und kleine Gehäuse. Ich fotografiere immer noch gerne mit der Lumix G5 und dem 25mm F1.7 von Panasonic. Leicht, lautlos, einfach gut.
Ja, man muss sich schon wundern. Auf der einen Seite wird – zumindest im Netz – über schwere Spiegelreflex-Ausrüstungen gejammert, jedem neuen “BIGMA” – Objektiv aber zugejubelt. Bei der Vorstellung des 50mm 1,4 habe ich beim Gewicht zunächst gedacht, dass muss ein Schreibfehler sein… Aktuell muss bei dem Hersteller wohl jede Neuigkeit mindesten ein Kilogramm wiegen. Canon und Nikon versuchen wenigstens noch, Größe und Gewicht im Rahmen zu halten, so ist das aktuelle 300mm 4,0 von Nikon viel leichter als sein Vorgänger und auch das neue 70 – 200mm ist nicht wirklich (noch) schwerer geworden.
Als Sony seine 7er Serie auf dem Markt brachte, dachte ich, klasse! Leica M mit Autofokus! …bis ich die Objektive gesehen habe. Hier ist insbesondere das 35mm 1,4er ein Witz, wenn ich mir parallel dazu das entsprechende Summilux ansehe. Da löst sich der Gewichts- und Größenvorteil in Luft auf und das ist wirklich schade. M.E. wäre Sony mit der 7er-Reihe viel erfolgreicher, wenn auch die Objektive kompakter wären. So bleibe ich weiterhin bei den Spiegelreflex-Kameras. Durch kluge Wahl der Objektive muss der Gewichtsnachteil gar nicht so groß (ggf. sogar gar keiner) sein.
Aber warum machen die Hersteller das so? Ich denke der Grund ist zu einem das zu erwartende Renommee. Man zeigt, was technisch machbar ist. Natürlich ist da das größte Problem dann Größe und Gewicht, sieht aber zunächst mal keiner, der den entsprechenden Glasklotz nicht in seiner Fototasche liegen hat. Aber auch die Unmengen an ´Testern´, die alles zerreißen, was in der äußersten Bildecke marginal schlechter ist, als im Zentrum – natürlich bei Offenblende. So fand ich bei Photozone ein Testbericht über das nun wirklich legendäre 50er Noctilux. Im Netz findet man einige wirklich hervorragende Bilder, die mit diesem Objektiv gemacht wurden. Liest man dann den Testbericht, glaubt man den Ergebnissen eigentlich nicht; oder anders ausgedrückt: Theorie (Test) und Praxis (das fotografierte Bild) passen nicht (mehr) zusammen.
In diesem Sinne GUT LICHT!